Bericht über das 18. Koordinatorenforum 2018
Am 16.03.2018 fand in München das Forum für Koordinatoren nach Baustellenverordnung statt.
Die fachliche Planung für das jährliche Forum erfolgt durch den BUNDESVERBAND DEUTSCHER BAUKOORDINATOREN e.V. – BDK.
Im Forum wird praxisnah über aktuelle Entwicklungen im Fachbereich informiert. Mit 84 Teilnehmern war das Forum in diesem Jahr besonders gut besucht.
Als Präsident des BDK begrüßte Dipl.-Ing. (FH) Stefan Deschermeier die anwesenden Teilnehmer und Gäste. Er gab zunächst einen Überblick über die Normen, die für die Tätigkeit als Koordinator nach Baustellenverordnung relevant sind und informierte dann über die Hilfestellungen der BG Bau, die auf der Webseite www.bgbau-medien.de und auch per App alle sicherheitsbezogenen Informationen für die einzelnen Gewerke veröffentlicht.
Foto: S. Fischer, BDK
Von Handlungsanleitungen und Praxishilfen zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen, über Fachinformationen für Unternehmer und Führungskräfte, Bausteine und Merkhefte für sicheres Arbeiten, Planungsinformationen für Planer und Architekten sind bis zu den DGUV-Vorschriften, -Informationen, DGUV-Regeln und -Grundsätzen alle wichtigen Informationen enthalten. Arbeitshilfen und Formulare runden das Angebot ab und auch Neuerungen werden gekennzeichnet.
Der Referent stellt noch einmal klar, dass Adressat der Baustellenverordnung der Bauherr ist, der durch den Einsatz eines Koordinators nicht von seiner Verantwortung entbunden ist.
Für die Sicherheit seiner Arbeitnehmer hat der einzelne Arbeitgeber und Unternehmer Sorge zu tragen unter Beachtung der nach
§ 4 Arbeitsschutzgesetz erforderlichen Schutzmaßnahmen.
Hierbei nehmen Bauherr oder Koordinator i.d.R. keinen Einfluss, der Unternehmer trägt die Verantwortung für die Sicherheit seiner Beschäftigten. Er hat auch die geeigneten Anweisungen zu erteilen.
RA Sebastian Büchner berichtete über die wichtigsten Änderungen im Bauvertragsrecht. Nach seiner Auffassung ist der Vertrag mit einem Koordinator nach Baustellenverordnung jedoch kein Ingenieurvertrag nach § 650 p, denn der Koordinator ist nicht der Planer, Gestalter oder Umsetzer der Baumaßnahme. Der Vertrag mit dem Koordinator ist nach seiner Auffassung weiterhin als Werkvertrag nach § 631 BGB zu qualifizieren.
Im Folgenden besprach RA Büchner vier gerichtlich entschiedene Rechtsfälle, in denen es aufgrund der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zu unterschiedlichen Schäden auf der Baustelle kam.
Bei Erläuterung der Entscheidungen erklärte er in Fall 1 die Grundsätze eines verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs und im 2. Fall den Gesamtschuldnerausgleich unter mehreren schuldhaft beteiligten Bauunternehmern.
Der Rückgriff auf den Koordinator war nicht möglich, da § 3 Abs. 3 BaustellenVO zwar ein Schutzgesetz zugunsten des Verunfallten ist, jedoch nicht im Hinblick auf die Vermögensinteressen des Bauunternehmers.
Im 3. Fall wurde die mögliche Haftung des Koordinators näher untersucht: evtl. Ansatzpunkte für die Haftung, Umfang der Überwachungspflicht, Vollständigkeit des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes. Eine Haftung des Koordinators wurde aber letztendlich abgelehnt, da die Pflichtverletzung (Lücke im SiGe-Plan, Nichtvornahme der vertraglich vereinbarten Einweisung der Bauleitenden) des Koordinators nicht ursächlich für den Unfall war.
Fall 4 betraf den Umfang der Verkehrssicherungspflicht der Bauüberwacher und die Mitteilungspflicht hinsichtlich weiterer Subunternehmer an den Koordinator.
Das weitere Programm umfasste die aktuelle Information zum Nationalen Asbestdialog in Berlin, der – initiiert durch das BMAS und BMUB – mit den beteiligten Stakeholdern geführt wird. Dipl.-Ing. (FH) Christel Scheyk, hatte die Veranstaltungen in Vertretung des BUNDESVERBANDES DEUTSCHER BAUKOORDINATOREN e.V. – BDK besucht. Sie stellte die bisherigen Ergebnisse des Dialoges vor.
Auch nach Inkrafttreten des Herstellungs- und Verwendungsverbotes im Jahr 1993 ist Asbest immer noch ein ernstes Problem – insbesondere beim Bauen im Bestand. Es befindet sich in Dachplatten und Isolierungen, in Klebern, Dichtungen und Spachtelmassen und kann jederzeit bei Baumaßnahmen durch Schleifen oder Stemmen in erheblichem Umfang freigesetzt werden.
Es besteht dringender Aufklärungsbedarf über das jeweilige Ausmaß der Asbestverbauung und ein systematisches Vorgehen bei Planung, Auftragsvergabe, Arbeitsvorbereitung und -durchführung, Wartung, Instandhaltung, Abbruch und Entsorgung.
Es gab bisher nach einer Eingangsbefragung aller Beteiligten drei Dialogforen. In mehreren Diskussionsrunden wurden zu vier Themenblöcken (I. Informations-, Aufklärungs- und Forschungsbedarf; II. Erkundung, Bewertung und Dokumentation von Asbestaltlasten; III. Sichere Durchführung von Arbeiten; IV. Ausbildung und Qualifizierung) Maßnahmenvorschläge erarbeitet.
Ein weiteres Dialogforum ist noch geplant, in dem ein Überblick über die Ergebnisse gegeben werden, sowie eine Gesamtbewertung, Nachjustierung und Ergänzung erfolgen soll.
„Gerüstbau und Verankerungen“ war das Thema von Dipl.-Ing. Stefan Schnitzenbaumer, BG-Bau München.
Er informierte über verschiedene Gerüstanlagen und die notwendige Verankerung. Dabei sind die Ankerlasten bei Gerüsten abhängig davon, ob Planen oder Netze die Gerüste bekleiden; aber auch Konsolen können die Ankerlast erhöhen. Bei freistehenden Gerüstanlagen ist am Überbrückungsträger eine zusätzliche Verankerung notwendig. Stefan Schnitzenbaumer sprach darüber hinaus besondere Verankerungsprobleme bei großen Fenstern und Wärmedämmverbundsystemen an. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Gerüste leider immer schlechter werden oft bei Vergabe an Subunternehmer. Es gibt kaum Gerüste, die den Vorschriften entsprechen.
Er wies darauf hin, dass das Gerüst vom Gerüstersteller geprüft und freigegeben werden muss. Zusätzlich trägt aber jeder Unternehmer, der Gerüste oder Teilbereiche davon nutzen lässt, Verantwortung dafür, dass sich die Gerüste in ordnungsgemäßem Zustand befinden. Er ist verantwortlich für die Sicherheit seiner Beschäftigten und sollte deshalb das Gerüst vor der ersten Benutzung auf dessen sichere Funktion überprüfen und auf augenfällige Mängel in Augenschein genommen werden.
Wird das Gerüst von mehreren Unternehmern gleichzeitig oder nacheinander benutzt, hat der Koordinator nach Baustellenverordnung auf mögliche gegenseitige Gefährdungen hinzuweisen und die Arbeiten zu koordinieren.
Die Handlungsanleitung für den Umgang mit Arbeits- und Schutzgerüsten (DGUV Information 201-011) wurde an die Teilnehmer verteilt.
Zum Abschluss stellte BDK-Mitglied Robert Ostermeier als Praxisbeispiel eine Baustelle mit vielen Gefahrenquellen vor. Nach einem Bericht der BG-Bau ist häufigste Unfalltodesursache der Absturz von hoch gelegenen Arbeitsplätzen. Bei der vorgestellten Baustelle, einem hohen Flachdachbau, fehlte die Absturzsicherung teilweise ganz oder die Absturzsicherungen waren nicht nach Herstellervorschriften angebracht. Die Teilnehmer diskutierten über die vom Koordinator sofort zu ergreifenden Maßnahmen: Information der Personen, die auf dem Dach arbeiten, Information der Firmen, des Bauleiters, des Poliers, persönlich und per Mail, Drängen sofortige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Maßnahmen sollten dann in einem Begehungsbericht für den Bauherren und die Firmen aufgelistet werden.
Im Anschluss an das Forum für Koordinatoren nach Baustellenverordnung folgte das Partnerforum, welches vom BUNDESVERBAND DEUTSCHER BAUKOORDINATOREN e.V. – BDK gemeinsam mit dem Bauzentrum der LH München organisiert wird. Der Schwerpunkt spielte hier die Tätigkeit der Koordinatoren aus Sicht der Bauherren.
Dipl.-Ing. (FH) Christian Rust stellte zuerst das Arbeiten mit BIM – Building Information Modeling – als kooperative Arbeitsmethodik vor. Ziel ist, alle Informationen über das zu erstellende Bauwerk allen Beteiligten zur Verfügung stellen zu können. Auch der Koordinator nach Baustellenverordnung sollte früh bei den Auftraggeberinformationen mit eingebunden werden. BIM ist ein Koordinationsmodell mit verschiedenen Fachmodellen, der Bauzeitenplan wird entsprechend dokumentiert, Simulationsmöglichkeiten können genutzt werden. Es eignet sich auch schon für kleinere Wohnanlagen.
Der Vertreter der BG-Bau, Stefan Schnitzenbaumer, kam noch einmal zum Thema Absturzsicherungen auf Flachdächern zu Wort.
Besonders gefährlich ist nicht nur der Sturz vom Dachrand, sondern auch der Sturz durch Öffnungen im Dach und das durch Durchbrechen von Dachflächen (z.B. bei Lichtkuppeln). Die besondere Absturzgefahr beginnt ab 2 m Höhe; der Gefahrenbereich beginnt ab 2 m vom Rand entfernt.
Folgende Maßnahmen sind zu treffen.
1. Gefahrenquelle vermeiden (reduzieren)
2. sicherheitstechnische Maßnahmen (Abdeckung, Geländer)
3. organisatorische Maßnahmen, z.B. durch räumliche Trennung Sicherheitskette
4. Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung (Haltegurt, Auffanggurt)
5. verhaltensbezogene Maßnahmen (Sicherheitsunterweisung)
Die verhaltensbezogenen Maßnahmen stehen am Ende der Maßnahmenkette und sollten nur minimiert oder ergänzend eingesetzt werden.
Den Abschluss des Tages und der beiden Veranstaltungsteile bildete Frau Dipl.-Ing. (FH) Christel Scheyk, Mitglied BDK, mit ihrem Vortrag zur Sanierung des Münchner Olympiaturmes aus Sicht der Baukoordinatorin.
Die Koordinierung der Arbeiten im Sinne des Gesundheits- und Arbeitsschutzes war eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.
Schon der Eingangsbereich gehörte zum Sicherheitsbereich und es waren besondere Schutzvorrichtungen notwendig. Materialtransport im erweiterten Sicherheitsbereich war nur zwischen 2.00 und 7.00 Uhr möglich. Dazu war die Absperrung des gesamten Bereiches zwischen Schwimmhalle und Olympiasee erforderlich. Bei derart hohen Baustellen ist die Gefahr durch Wind besonders groß. Hier half ein Windprofilrechner im Internet und die Entwicklung eines Konzepts und Planung zur Einnetzung der Baustelle, damit der stark befahrene Mittlere Ring in der Nähe nicht gesperrt werden musste.
Alle Bauteile in der Höhe mussten immer gesichert sein. Das Schutzsystem mit Netz und Auffangnetz war bereits für den Aufbau des Gerüstes notwendig. Die Netze wurden hierfür extra in Trapezform angefertigt.
Da die Innentreppe für eine Rettung im oberen Bereich zu schmal war, musste jede Person, die oben am Turm war, einen Gurt tragen. Im Falle einer Rettungsnotwendigkeit hätte eine Rettung nur durch Abseilen ermöglicht werden können.
Insgesamt hat die Sicherheit bei dieser Baustelle mehr Planung, Zeit und Aufwand in Anspruch genommen als die eigentlichen Bauarbeiten.